Realitätsfern und überambitioniert

aktuell, 11.04.2023

Der Klimaplan 2035 für die Stadt Bonn

Der Klimaplan 2035 für die Stadt Bonn, der ein lebenswertes und klimaneutrales Leben in der ehemaligen Bundeshauptstadt vorsieht, kommt direkt mit einer wunderschönen Grafik daher: Die Elemente Wirtschaft, Gebäude, Energie, Mobilität, Kompensation, Gesellschaft und Governance bilden ein großes Ganzes – den Klimaplan 2035. In Bonn soll es bis 2035 nicht nur (noch) leiser werden, man soll besser arbeiten, schlafen und atmen können. Es gibt kaum noch Autolärm, kaum noch Feinstaub in der Luft. Der öffentliche Raum gehört den Menschen, als Ort des Austauschs, der Begegnung und der Erholung. „Er ist intelligent gestaltet, er spendet Frische und Schatten wenn es heiß ist und nimmt das Wasser auf, wenn es regnet.“: So rosig beschreibt der Klimaplan 2035 das Bonn der Zukunft.

Wenn man sich die Ziele dann aber genau anschaut, wird es einem Angst und Bange – etwa in Sachen Lautstärke. Dass man eine Großstadt in 10 Jahren so deutlich leiser machen will, ist meiner Ansicht nichts anderes als eine PR-Gag. Man muss sich vor Augen halten: Was will man als Stadt schaffen und wie soll die Message beim Bürger ankommen? Faktoren wie die technische Entwicklung oder die Entwicklung des Umfelds über die Stadt- und Ländergrenzen hinaus sprechen aktuell dafür, dass ein stilles Bonn in den nächsten 10-12 Jahren nicht realistisch ist. Man darf nicht vergessen, dass Europa und somit auch Deutschland hohe Kosten mit dem Ukrainekrieg zu schultern hat. Darüber hinaus haben wir eine alternde Gesellschaft und akuten Fachkräftemangel, etwa im Handwerk – alles Umstände, die hier nicht mitbetrachtet werden. Man setzt etwas in die Welt, was durchaus positiv gemeint ist, am Ende aber an der Realität scheitern wird. Wie bei so vielen Dingen in der Politik, wo es nur um große Ankündigungen geht (Wohnungsbau, Bundeswehrumbau um einige negative Beispiele zu nennen).

Am Ende könnte der Klimaplan 2035 zu einer großen Enttäuschung führen – es ist gut möglich, dass man deutlich weniger erreichen wird als das Papier hergibt. Die Reaktionen auf den ambitionierten und zum Teil realitätsfernen Klimaplan dürften nicht lange auf sich warten lassen. Das zeigt sich etwa auch am Beispiel Energie bzw. fossile Brennstoffe. Der Bonner Klimaplan sieht eine komplette Abschaffung von Gas, Kohle und Öl vor – minus 100 Prozent!

Das Stadtgebiet zählt 43.000 Gasanschlusspunkte. Geht man von einem sportiven Tempo aus und nimmt an, dass jährlich 1000 Anschlusspunkte in Bonn stillgelegt bzw. umgerüstet werden, wären wir bis 2035 noch immer bei 30.000 Anschlüssen. Doch selbst die 12.000 Anschlüsse sind eher Theorie – in der Praxis werden es allein aufgrund fehlender Techniker deutlich weniger sein.

Hinzu kommt ein weiterer wichtiger Punkt: Die Energie, die aufgebracht werden muss, um den Austausch von Anfang bis Ende zu bewerkstelligen, muss von anderer Stelle abgezogen werden. So würde an anderer Stelle, vielleicht in Deutschland, vielleicht aber auch in Polen oder China, wieder CO2 entstehen. Die Klimawende mit aller Macht schaffen – das will nicht nur Bonn sondern auch in vielen weiteren Städten. Die Idee ist gut – der kurzfristige Energiebedarf sorgt aber mit Sicherheit dafür, dass die Emissionen nur an andere Stelle verlagert werden und dass „schmutziger“ produziert wird als es hierzulande der Fall ist. Gas und Öl werden sich in den nächsten 12 Jahren nicht komplett ersetzen lassen – will man eine Zeitzahl nennen, würde diese wesentlich weiter vorne liegen.

Ich würde einen größeren Fokus auf Ausgleichskompensationsmaßnahmen legen, welche Klimaplan eine vergleichsweise untergeordnete Rolle spielen. Nicht in der Form, dass mit mit zwei Mausklicks irgendwo auf der Welt virtuell ein paar Bäume pflanzt, vielmehr reell, vor Ort und in Masse. Weiterhin sollte massiv das Fernwärmenetz ausgebaut werden – aber auch bei Fernwärmeausbau kann man in 12 Jahren keine Wunder erwarten. Es fehlen einfach Vorleistungen, die in den vergangenen 20 bis 30 Jahren schlichtweg verpennt wurden. Die Stadt hätte viel mehr Möglichkeiten, wenn sie zusammen mit den Bürgern stattdessen auf Anpassung setzt – Kompensieren und Schützen heißen hier die Stichworte. Mit einer massiven Aufforstung ließen sich auch große Mengen CO2 einsparen.

Für richtig und wichtig erachte ich das Photovoltaik-Programm und auch in Sachen Dämmung lässt sich sicherlich noch einiges machen.

Der Klimaplan fußt auf technischer Theorie und zeigt einmal mehr: Die Köpfe dahinter haben teils keinen Bezug zur Realität. Hochstudierte und -bezahlte Forscher an ihren Schreibtischen, an denen das Leben und die Probleme der breiten Masse einfach vorbeigehen. Das Setzen unrealistischer Ziele, welche eine Stadt gar nicht alleine bewältigen kann, sind ein falsches Zeichen nach außen. Von den Rahmenbedingungen hängt der gesamte Klimaplan ab und diese weisen keinesfalls in Richtung „Klimaneutralität 2035“. Der Bonner Klimaplan mutet wie eine PR-Kampagne an, die bestimmte Klimagruppen beruhigen will. Wir brauchen Ideen, wie sich CO2 einspeichern lässt – Verbote und Umrüstungen alleine werden uns hierbei nicht zum Ziel führen. Der Wohlstand und die wirtschaftliche Entwicklung der letzten 150 Jahre basieren auf fossilien Brennstoffen – ein kalter Entzug hieraus birgt große Gefahren – etwa in Form einer Radikalisierung innerhalb der Gesellschaft. Man muss die Menschen mitnehmen – ich kann an dieser Stelle nur vor der „Klimaneutralität mit der Brechstange“ warnen und befürworte eine behutsame und schrittweise Klimaanpassung. Es ist vielleicht nicht der schnellere, dafür der ehrlichere Weg.

Zudem sollten wir mehr über Klimaanpasssung in der Stadt sprechen, hier können wir viel mehr vor Ort etwas tun, z.B. Bäume, Farben ändern (helle Dächer).  Klimaanpassung spüren die Menschen sofort, wärend der CO2-Abbau der Emissionen das Weltklima nicht spürbar entlasten und von den Bürgern kaum wahrgenommen wird.

  Karsten Brandt
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